Benin-Bronzen in Deutschland
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die Leitungen der deutschen Mitgliedsmuseen der Benin Dialogue Group, die zuständigen Kulturministerinnen und -minister der Länder sowie Vertreter des Auswärtigen Amts haben sich am 29. April 2021 zu einer digitalen Gesprächsrunde getroffen und eine gemeinsame Erklärung zum weiteren Umgang mit den Benin-Bronzen in deutschen Museen beschlossen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stimmten darin überein, dass die Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe und ein zentrales kulturpolitisches Handlungsfeld ist. In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland bereits grundlegende politische Verabredungen getroffen und wichtige Schritte umgesetzt. Auch haben deutsche Museen und Einrichtungen zahlreiche Maßnahmen zur Aufarbeitung der Herkunftsgeschichte ihrer Bestände ergriffen. Hierzu zählen auch Rückführungen menschlicher Überreste und Kulturgüter aus kolonialen Kontexten an die betreffenden Herkunftsstaaten und Herkunftsgesellschaften.
Darüber hinaus verständigten sich die Beteiligten darauf, 1. umfassende Transparenz über die in ihren Sammlungen und Ausstellungen befindlichen Benin-Bronzen herzustellen; 2. zeitnah und koordiniert weitere Gespräche mit der nigerianischen Seite über Rückführungen und künftige Kooperationen zu führen; dabei wird auch eine Verständigung mit den nigerianischen Partnern darüber angestrebt, wie Benin-Bronzen auch weiterhin in Deutschland gezeigt werden können; und 3. konkrete Handlungsschritte und einen Fahrplan für die anstehenden Gespräche zu entwickeln. Die Erklärung zum Umgang mit den in deutschen Museen und Einrichtungen befindlichen Benin-Bronzen finden Sie hier.
Datenbank der Benin-Bronzen in Deutschland
Um aktiv größtmögliche Transparenz herzustellen wurde vereinbart, dass die von Bund und Ländern gemeinsam finanzierte „Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland“ bis zum 15. Juni 2021 – zusätzlich zu Informationen auf museumseigenen Webseiten – eine Aufstellung aller im Besitz der Museen befindlichen Benin-Bronzen auf ihrer Webseite (www.cp3c.de) veröffentlicht. Auch werden die Museen bis Ende 2021 die Provenienzen zu diesen Objekten umfassend dokumentieren und auf der Webseite der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland öffentlich zugänglich machen. Soweit Benin-Bronzen in Ausstellungen gezeigt werden, wird der Erwerbungskontext umfassend dargestellt.
Die von der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland erstellte Datenbank zu den Benin-Bronzen in Deutschland ist hier zugänglich.
Gegenstand der Datenbank sind Objekte, die der höfischen Kunst des Königreichs Benin zuzuordnen sind (gemeinhin als „Benin-Bronzen“ bezeichnet), im Jahr 1897 von der britischen Armee aus Benin (heute Teil von Nigeria) geplündert wurden und heute in Museen in Deutschland aufbewahrt werden.
Die Datenbank wird kontinuierlich aktualisiert und um Informationen und Daten weiterer Einrichtungen mit relevanten Sammlungsbeständen erweitert. Außerdem wird die Datenqualität schrittweise verbessert werden (z. B. Bildqualität, Beseitigung von Uneinheitlichkeiten, Übersetzung deutscher Begriffe in das Englische). Aktuell (Stand 15. Juni 2021) sind in der Datenbank die Objekte folgender deutschen Mitgliedsmuseen der Benin Dialogue Group auffindbar:
Die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim sind ein Mehrspartenmuseum in kommunaler Trägerschaft. Das Haus beherbergt Sammlungen zu Archäologie, Ägypten, antiken Mittelmeerkulturen, Kunst- und Kulturgeschichte, Naturkunde, Weltkulturen und Fotografie.
Die Sammlung Weltkulturen der Reiss-Engelhorn-Museen geht auf die Sammelleidenschaft des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz (1724–1799) zurück. Bereits 1837 füllten die ethnologischen, archäologischen und naturhistorischen Bestände sieben Säle des kurfürstlichen Schlosses. Seit Mitte des 19. Jhs. rückte mit dem Mannheimer Altertumsverein das bürgerschaftliche Engagement der Mannheimer in den Vordergrund. Schenkungen und Spenden, aber auch gezielte Ankäufe ließen die Zeugnisse der Kulturen aller Erdteile stetig in Qualität und Anzahl wachsen.
Die Stadt Mannheim führte keine eigenen Expeditionen zur Sammlungserweiterung durch, trug aber z.B. durch eine finanzielle Beteiligung zur Expedition des Ehepaars Thorbecke nach Kamerun 1911-1913 bei und erhielt im Gegenzug einen Großteil der dabei gesammelten Objekte.
Mit dem Ankauf der bedeutenden Sammlung Gabriel von Max im Jahre 1917 hatten die stetig gewachsenen Bestände völker- und naturkundlicher Objekte überregionale Bedeutung erlangt. Andere Bestände wie etwa die Sammlung des Offiziers Theodor Bumiller gelangte 1920 durch Schenkung ans Haus, ebenso wie etliche andere Nachlässe in den Jahren davor und danach. Wesentlich ergänzt wurden die Sammlungen 1935 durch einen staatlichen Ringtausch badischer Museen, wodurch das Mannheimer Museum ethnographische Objekte aus dem Landesmuseum in Karlsruhe erhielt und im Gegenzug andere Sammlungsbestandteile abgab.
Auch nach dem 2. Weltkrieg erhielt das Museum immer wieder bedeutende Konvolute durch Spenden und Nachlässe.
Die Sammlung Weltkulturen der Reiss-Engelhorn-Museen verfügt heute über nahezu 40.000 ethnographische Exponate aus fünf Kontinenten. Die Afrika-Sammlung umfasst rund 11 800 Objekte. Auf Ozeanien/Südsee entfallen rund 8000, auf Asien 10 300 und auf Amerika 7 600 Objekte. Auch europäische Kulturgüter sind mit ca. 300 Objekten vertreten
Die Anzahl der Objekte, die innerhalb der Afrikasammlung ganz allgemein "Benin" zugeordnet werden können, belaufen sich laut Datenbankangaben auf 78 Artefakte. Darunter fallen auch Objekte aus der heutigen Republik Benin sowie moderne, touristische Stücke. Das Projekt "Provenienzforschung an den Benin-Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen", gefördert als Kurzzeit-Forschungsprojekt des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, setzte sich daher zum Ziel, jene Objekte konkret zu bestimmen, die dem historischen Königreich Benin und dem britischen Plünderungskontext von 1897 zugeordnet werden können. Als Forschungsbasis wurde dafür eine Vorauswahl von 66 Objekten genommen, abzüglich jener modernen, touristischen Stücke. Die durchgeführte Provenienzforschung ergab einen Bestand von 29 Objekten, die in den genannten Kontext gehören. Darunter befinden sich Objekte aus Bronze, Elfenbein, Holz und Applikationen aus Eisen sowie Tierhäuten. Es handelt sich um 3 Bronzeköpfe, 6 Reliefplatten, 2 Klöppelglocken, 6 geschnitzte Elefantenstoßzähne/Musikinstrumene, 4 Gürtelanhänger sowie 8 sonstige Objekte. Sie kamen mehrheitlich 1925 durch einen Ankauf von Objekten des Sammlers Hans Meyer 1925 aus Leipzig ans Haus, durch den Ringtausch badischer Museen 1935 sowie durch einzelne Spender und Sponsoren. Der erste Eingang von drei Relieffragmenten geschah durch eine Leihgabe bzw. Schenkung des Museums für Völkerkunde in Berlin 1921, wodurch die Sammlung an Benin-Bronzen in Mannheim aufgebaut wurde.
Die Anfänge der Ethnografischen Studiensammlung gehen auf Dr. Erika Sulzmann zurück, die 1948 als Assistentin an das neueingerichtete damalige Institut für Völkerkunde der Johannes Gutenberg-Universität Mainz kam und ab 1950 die Sammlung gründete. Den Grundstock bilden die über 500 Objekte von den Bolia und Ekonda aus dem äquatorialen Regenwald des Kongo, die während der "Mainzer Kongo-Expedition" (1951-54) unter Leitung von Erika Sulzmann zusammen mit Ernst W. Müller gesammelt wurden. Dieser Reise folgten zwischen 1956 und 1980 noch acht weitere Reisen zu den Bolia und ihren Nachbarn, bei denen Erika Sulzmann den Bestand der Mainzer Sammlung beständig erweiterte. Dazu kamen in den 1950er und 1960er Jahren Forschungsreisen nach Pakistan (Hindukusch-Expedition 1955/56), Afghanistan (Stuttgarter Badakshan-Expedition 1962/63) und Westafrika (u.a. Hamburger Obervolta-Expedition 1954/55; Haberland-Reise 1966). Durch den Tausch mit verschiedenen Instituten und Museen wurde die Sammlung ergänzt und ausgebaut. Mit dem Frobenius-Institut in Frankfurt tauschte man 1968 Objekte von den Ekonda gegen eine kleine Äthiopien-Sammlung. Im Jahr 1971 gab das Institut die 732 umfassende wertvolle Pakistan- und Afghanistan-Sammlung an das Linden-Museum in Stuttgart und erhielt im Tausch 637 Objekte vor allem aus Afrika (u.a. von den Maasai und aus dem Kameruner Grasland), aber auch aus Ozeanien (vor allem Papua-Neuguinea und Australien).
Heute bewahrt die Ethnografische Studiensammlung knapp 3.000 Objekte, hauptsächlich aus Zentral- und Westafrika sowie aus Australien, Papua-Neuguinea und anderen Regionen Ozeaniens. Es ist eine große Bandbreite von Objekten, von Haushaltsgegenständen und Musikinstrumenten über Textilien und religiöse Objekte bis hin zu Waffen. Es ist die einzige Sammlung ihrer Art in Rheinland-Pfalz und eine der größten Sammlungen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit 1992 ist Dr. Anna-Maria Brandstetter Kuratorin der Sammlung. Die Objekte werden in der Lehre genutzt.
Etwa 1.680 Objekte wurden im kolonialen Kontext vom Ende des 19. Jh. bis in die Mitte des 20. Jh. nach Europa verlagert, vielfach als Raub- oder Beutegüter unter Anwendung von Druck, Erpressung und Gewalt. Die Objekte sind daher zum einen historischen Objekte, die auf vergangene Lebenswelten verweisen, und gleichzeitig erzählen sie von ihrer Aneignung in Europa im Kontext der kolonialen Eroberungen in Afrika oder Ozeanien.
In der digitalen Sammlung "Gutenberg Objects" der Johannes Gutenberg-Universität Mainz werden bis Oktober 2021 etwa 360 Objekte aus kolonialen Kontexten aus Kamerun, Kenia und Tansania zugänglich sein. Weitere 130 Objekte aus Papua-Neuguinea und Australien folgen dann Ende 2021/ Anfang 2022.
Die Ethnologische Sammlung der Universität Göttingen ist eine der bedeutendsten Lehr- und Forschungssammlungen im deutschsprachigen Raum. Ihre Anfänge reichen bis in die Zeit der Aufklärung zurück.
Die Geschichte der Sammlung beginnt im Jahr 1773 mit dem Entstehen des Academischen Museums an der Göttinger Universität. Der Initiative des Medizinprofessors Johann Friedrich Blumenbach ist es zu verdanken, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Kulturzeugnisse aus der Südsee („Cook/Forster-Sammlung“) und der arktischen Polarregion („Baron von Asch-Sammlung“) nach Göttingen gelangten. Nach Blumenbachs Tod im Jahr 1840 wurde die Sammlung zunächst von Gelehrten anderer Disziplinen betreut. 1928 begann mit den vorhandenen Objekten der ethnologische Fachunterricht in Göttingen.
Aktuell umfasst die Sammlung ca. 18.000 Objekte aus allen Kontinenten. Weiterhin zählen Grafiken und Gemälde, Archivalien, Fotografien sowie Hands-On-Objekte der Museumspädagogik zu ihrem Bestand. Im Rahmen von Digitalisierungsmaßnahmen ist die Sammlung auch zunehmend im Online-Sammlungsportal der Georg-August-Universität Göttingen einsehbar. Bestände aus kolonialien Kontexten werden zustäzlich in die Datenbank des niedersächsischen Provenienzforschungs-Verbundprojetes PAESE eingespeist. Die analogen Bestandskataloge stehen als .pdf-Dateien zum Download zur Verfügung.
Die bewahrten Gegenstände werden in Forschungsprojekten unter vielfältigen Fragestellungen erschlossen. In Seminaren finden sie zur Ausbildung der Studierenden Verwendung. Darüber hinaus ist die Sammlung in Form von Dauer- und Sonderausstellungen der Öffentlichkeit zugänglich (zur Zeit: geschlossen wegen Generalsanierung).
Die Ethnologische Sammlung des Museums Natur und Mensch der Städtischen Museen Freiburg verwahrt über 20.000 Objekte aus Asien, Ozeanien, den Amerikas, Altägypten und Afrika, die seit der Gründung des Museums 1895 gesammelt wurden. Zur Sammlung gehört auch ein historisches Fotoarchiv. Die Ethnologische Sammlung ist damit eine der größten kommunalen ethnologischen Sammlungen Deutschlands. Bewahrung, Vermittlung und Erforschung ihrer Bestände sowie deren Zugänglichkeit, beispielsweise durch digitale Transparenz, sind ihre zentralen Ziele.
Wie in vielen europäischen Museen, ist ein Großteil der ethnologischen Bestände um die Jahrhundertwende in die Ethnologische Sammlung eingegangen. In Sonderausstellungen und Forschungs- und Kooperationsprojekten setzt sich die Ethnologische Sammlung intensiv mit den Provenienzen der Objekte, insbesondere ihrer kolonialen Kontexte, auseinander. Ein maßgebliches Ziel ist es zudem, durch Digitalisierungsprojekte, wie der Präsentation der Ethnologischen Sammlung auf der Online-Sammlung der Städtischen Museen, die Sammlungen global transparent und zugänglich zu machen. Die Digitalisierung bildet auch die Grundlage für die weitere wissenschaftliche Aufarbeitung der Sammlungen.
Die Ethnologische Sammlung des Museums Natur und Mensch verwahrt gegenwärtig zehn Objekte aus dem Königreich Benin, Nigeria.
Provenienz
Diese Objekte gelangten durch Ankäufe zwischen 1899 und 1907 in das damalige Museum für Natur- und Völkerkunde der Stadt Freiburg. Eine weitere Bronzeplatte aus dem Königreich Benin (Ankauf 1901), wurde im März 1952 an einen Sammler aus Karlsruhe verkauft.
Das aus der königlichen Kunstkammer hervorgegangene Ethnologische Museum gehört seit seiner Gründung 1873 international zu den größten und bedeutendsten seiner Art.
In seinen Sammlungen befinden sich circa 500.000 ethnografische, archäologische und kulturhistorische Objekte aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien. Diese werden durch circa 500.000 Medien (ethnografische Fotografien, Filme, Tondokumente) und rund 200.000 Seiten Schriftdokumente ergänzt.
Das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin setzt sich mit dem Erbe und den Konsequenzen des Kolonialismus, mit der Rolle und Perspektive Europas kritisch auseinander. Reflexion des eigenen Standpunkts, Partnerschaften mit den Herkunftsgesellschaften in Afrika, Asien, Ozeanien und Amerika sollen einseitige eurozentrische Sichtweisen offenlegen, ohne jedoch die gegebenen europäischen Bezüge zu verleugnen.
Ab Spätsommer 2021 werden im Humboldt Forum Dauerausstellungen verschiedener Akteure zu sehen sein, u. a. die Sammlungspräsentation des Ethnologischen Museums.
503 historische Objekte aus dem Königreich Benin sind Teil der Sammlungen des Ethnologischen Museums und zwei Objekte befinden sich in den Sammlungen des Museum Berggruen. Eine Liste gibt einen Überblick über diese Objekte sowie wie und wann sie in die Berliner Sammlung gelangten.
Das Landesmuseum Natur und Mensch wurde 1836 von Großherzog Paul Friedrich August von Oldenburg (1783-1853) gegründet. Anlass war eine regionale Insekten- und Vogelsammlung, die der Großherzog 1835 ankaufen ließ. Heute umfasst die Sammlung vor allem Objekte der Archäologie, Naturkunde und Ethnologie. Im Bereich Archäologie bilden bis heute die einzigartige Sammlung zur Moorarchäologie und die Funde aus den Großsteingräbern besondere Schwerpunkte. Diese spiegeln sich auch in der szenografisch gestalteten, interdisziplinären Dauerausstellung wider, welche sich der Natur und der Kulturgeschichte der nordwestdeutschen Landschaften widmet.
Primär durch die Bemühungen der jeweiligen Direktion, das Engagement von Personen aus Oldenburg und „umzu“ und die Verbindungen der großherzoglichen Familie kamen vielfältige Konvolute aus den Bereichen Zoologie, Botanik, Geologie, Archäologie und Ethnologie aus unterschiedlichsten Herkunftskontexten in die Bestände. Darunter finden sich zahlreiche koloniale Kontexte, die von Russisch-Amerika über Deutsch-Ostafrika bis nach Samoa reichen und ihre Spuren in allen Sparten des Museums hinterlassen haben. Besonders hervorzuheben sind dabei Konvolute, die auf die Sammler Ivan A. Kuprejanov (1795-1857), Wilhelm Langheld (1867-1917) und Richard Deeken (1874-1914) zurückgehen und die unter imperialen Vorzeichen bzw. während der formalen deutschen Kolonialzeit erworben wurden.
Erst 1962 erfolgte der Ankauf eines Objekts, ein hölzerner Altar der Hand (Ikegobo) aus dem Königreich Benin, von dem deutschen Kunsthändler Arthur Speyer III (1922-2009). Für das Objekt wurde ein Geldbetrag gezahlt und ein Tabaksbeutel aus Nordamerika getauscht. Es ist derzeit noch unklar, unter welchen Umständen Arthur Speyer in den Besitz des Objekts gelangte. Arthur Speyer führt jedoch die britische Strafexpedition von 1897 als Provenienz ethnologischer Objekte aus dem Königreich Benin in europäischen Museen auf, ohne dies spezifischer auf das Objekt in Oldenburg zu beziehen
Das Landesmuseum Natur und Mensch wurde 1836 von Großherzog Paul Friedrich August von Oldenburg (1783-1853) gegründet. Anlass war eine regionale Insekten- und Vogelsammlung, die der Großherzog 1835 ankaufen ließ. Heute umfasst die Sammlung vor allem Objekte der Archäologie, Naturkunde und Ethnologie. Im Bereich Archäologie bilden bis heute die einzigartige Sammlung zur Moorarchäologie und die Funde aus den Großsteingräbern besondere Schwerpunkte. Diese spiegeln sich auch in der szenografisch gestalteten, interdisziplinären Dauerausstellung wider, welche sich der Natur und der Kulturgeschichte der nordwestdeutschen Landschaften widmet.
Primär durch die Bemühungen der jeweiligen Direktion, das Engagement von Personen aus Oldenburg und „umzu“ und die Verbindungen der großherzoglichen Familie kamen vielfältige Konvolute aus den Bereichen Zoologie, Botanik, Geologie, Archäologie und Ethnologie aus unterschiedlichsten Herkunftskontexten in die Bestände. Darunter finden sich zahlreiche koloniale Kontexte, die von Russisch-Amerika über Deutsch-Ostafrika bis nach Samoa reichen und ihre Spuren in allen Sparten des Museums hinterlassen haben. Besonders hervorzuheben sind dabei Konvolute, die auf die Sammler Ivan A. Kuprejanov (1795-1857), Wilhelm Langheld (1867-1917) und Richard Deeken (1874-1914) zurückgehen und die unter imperialen Vorzeichen bzw. während der formalen deutschen Kolonialzeit erworben wurden.
Erst 1962 erfolgte der Ankauf eines Objekts, ein hölzerner Altar der Hand (Ikegobo) aus dem Königreich Benin, von dem deutschen Kunsthändler Arthur Speyer III (1922-2009). Für das Objekt wurde ein Geldbetrag gezahlt und ein Tabaksbeutel aus Nordamerika getauscht. Es ist derzeit noch unklar, unter welchen Umständen Arthur Speyer in den Besitz des Objekts gelangte. Arthur Speyer führt jedoch die britische Strafexpedition von 1897 als Provenienz ethnologischer Objekte aus dem Königreich Benin in europäischen Museen auf, ohne dies spezifischer auf das Objekt in Oldenburg zu beziehen.
Mit rund 160.000 Alltagsgegenständen, Kunstwerken und sakralen Objekten aus den Sammlungsbereichen Afrika, Islamischer Orient / Sibirien, Nord- und Lateinamerika / Karibik, Ozeanien sowie Ost-, Südost- und Südasien beherbergt das 1911 eröffnete Linden-Museum Stuttgart eine der bedeutendsten ethnologischen Sammlungen in Europa.
Das Linden-Museum ermöglicht in Ausstellungen und einem facettenreichen Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm Begegnungen mit anderen Lebenswelten und fördert das Verständnis verschiedener Weltsichten. Das Museum versteht sich als Bewahrer und Vermittler kulturellen Erbes, es erklärt, differenziert und verbindet.
Das Museum setzt sich aktiv mit Praktiken ethnografischen Sammelns, seiner eigenen kolonialen Geschichte, der Provenienz seiner Sammlungen sowie kolonialzeitlichen Strukturen und ihren Nachwirkungen in der Gegenwart, mit der Verteilung von Deutungshoheit im musealen Betrieb und der Rolle ethnologischer Museen heute auseinander. Projekte entstehen in partizipativen Prozessen mit Angehörigen und Interessensvertreter*innen der Herkunftsgesellschaften, Angehörigen der diversen Stuttgarter Stadtgesellschaft sowie internationalen Wissenschaftler*innen.
Im Zuge einer Neuausrichtung entwickelt und erprobt das Linden-Museum derzeit im Projekt LindenLAB, gefördert im Rahmen der Initiative für Ethnologische Sammlungen der Kulturstiftung des Bundes, neue Formen musealer Wissensproduktion, Vermittlung und Präsentation. Das Museum ist aktiver Partner in internationalen Netzwerken.
Provenienz
Die Sammlung des Linden-Museums umfasst insgesamt 75 Objekte, die nachweislich mit dem Königreich Benin im heutigen Bundesstaat Edo, Nigeria, in Verbindung stehen.
Es handelt sich dabei hauptsächlich um 64 "Bronzen" (d. h. Skulpturen, Zeremonialobjekte und Reliefplatten aus Kupferlegierungen), 7 Elfenbeinobjekte (ein zeremonieller Hüftanhänger zum Andenken an Königinmutter Idia, 5 Elefantenstoßzähne - davon 4 geschnitzt -, und 1 geschnitzter Armreif) sowie 2 Manillen und 2 Kupferbarren, die ursprünglich in Ungarn hergestellt und in der Region des heutigen Nigeria gehandelt wurden.
Das größte Konvolut mit 52 Objekten, von denen heute noch 49 vorhanden sind, kam 1899 durch die Vermittlung von Felix von Luschan (Königliches Museum für Völkerkunde Berlin) in das Linden-Museum. Die Hamburger Firma „H. Bey & Co“ hatte ihm zahlreiche Objekte angeboten, die direkt aus Afrika eingetroffen waren. Davon konnte er nur einen Teil für Berlin erwerben und vermittelte die verbliebenen an andere Museen. Finanziert wurde der Ankauf für das Linden-Museum durch den Heilbronner Unternehmer Carl Eduard Knorr.
Der Hüftanhänger der Königinmutter (Iyoba) Idia gelangte 1898 durch den Ethnographica-Händler William Downing Webster in die Privatsammlung von Augustus Pitt Rivers. In den 1930er Jahren wurde er an das Händlerehepaar John und Gertrude Hunt weitergegeben, die ihn 1964 wiederum an das Linden-Museum verkauften. Weitere Objekte gelangten durch Hans Meyer (1899), Max Westendarp (1903), Hans Ziemann (1904), Albert Hoffa (1904), Albert Spring (1911), Gustav Umlauff (1922), Hermann Seeger (1940), Arthur Speyer (1956) und andere Händler*innen und Sammler*innen noch bis 2009 in die Sammlung des Linden-Museums.
1871 entstand aus der ethnografischen Sammlung der Hamburger Gelehrtenschule Johanneum das "Culturgeschichtliche Museum". Es wurde 1879 in Museum für Völkerkunde umbenannt und erhielt 1904 mit Georg Thilenius (1868-1937) den ersten hauptamtlichen Direktor und 1912 ein eigenes Haus. Im Jahr 2017 besiegelte die Umbenennung in "Museum am Rothenbaum: Kulturen und Künste der Welt" (MARKK) eine lange angebahnte programmatische Wende und Dekolonisierung des Museums.
Die Museumssammlung besteht aus einem Sollstand von rund 260 000 Nummern an Objekten aus allen Weltteilen einschließlich Europas und Deutschlands. Die genaue Zahl wird gerade in einer Gesamtinventur erschlossen, ca. ein Drittel ist als Kriegsverlust des Zweiten Weltkrieges zu erwarten. Die genaue Zahl der aus kolonialen Zusammenhängen stammenden Objekte lässt sich nicht genau benennen, es handelt sich wohl mindestens um ein geschätztes Drittel der Sammlung.
Zahlreiche Menschen aus Herkunftsgesellschaften, Forscher*innen und politischen Aktivist*innen haben den Wunsch nach einem kompletten Einblick in die Bestände ethnographischer Museen. Daher veröffentlichte das MARKK 2020 zentrale Felder seiner Sammlungsdatenbank als Listen auf der Museumswebseite.
Die Listen sind nach Regionen gegliedert. Sie enthalten unbereinigte Daten und Notizen aus verschiedenen Phasen der Museumsgeschichte. Viele Bezeichnungen in den Listen werden inzwischen als unzutreffend, veraltet oder rassistisch beleidigend verstanden, sind jedoch aus historischen Gründen mit aufgeführt. Aus demselben Grund enthalten die Listen auch Objekte, die sich heute aufgrund von Kriegseinwirkung, Objekttausch, Restitution oder Zerfall organischen Materials nicht mehr oder nicht mehr komplett im Museum befinden.
Die Datenbank des Museums wird auf der Basis von Forschungen kontinuierlich überarbeitet. Die Einrichtung einer Online-Sammlung ist in Vorbereitung.
Provenienz (Stand: Dezember 2021)
Die Benin-Sammlung des MARKK umfasst heute 179 Stücke, von denen der Großteil um die Jahrhundertwende von etwa 40 Akteuren eingeliefert wurde. Viele dieser Akteure waren mit dem von Hamburg ausgehenden Welthandel zu jener Zeit verbunden. Im Folgenden sind die bisher vorliegenden Erkenntnisse in Form von Kurzbiografien der einzelnen Personen zusammengefasst.
Karl Behm (*18. März 1864 Hoym, † 13. Juni 1919 München)
war Konteradmiral der Kaiserlichen Deutschen Marine und fuhr ab 1882 selbst zur See, bevor er 1911 Direktor der Deutschen Seewarte in Hamburg wurde und sich ebendort niederließ. Behm verkaufte dem Museum im Jahr 1903 drei Objekte aus dem Königreich Benin.
Heinrich Bey (*um 1846 Hamburg?,† 14. April 1906 Hamburg)
war ein Hamburger Kaufmann und Inhaber des Export- und Importhauses „H. Bey & Co.“ sowie der Tochterfirma „Bey & Zimmer“ mit Niederlassungen in Westafrika, von wo aus sog. Kolonialwaren und Rohstoffe (z. B. Palmherzen) nach Hamburg transportiert wurden. Das Unternehmen mit dem damaligen Hauptsitz in der Großen Bäckerstraße (Hamburger Altstadt) spielte eine zentrale Rolle beim Import von Kunstwerken aus dem Königreich Benin nach Europa. Nach Beys Tod lieferte dessen Witwe im Jahr 1928 zwei weitere Stücke aus dem Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes ein. Bey selbst hatte 1903 nur ein Objekt aus dem Königreich Benin an das Museum verkauft.
J. F. Blech (* unbekannt, † unbekannt)
dessen vollständiger Name nicht bekannt ist, taucht im Hamburger Adressbuch von 1898 als „Arbtr.“ (= Arbeiter) auf und dürfte sehr wahrscheinlich selbst keine Reise(n) nach Afrika unternommen haben. Blech war allenfalls als Hafenarbeiter tätig und ist auf diese Weise wohl in den Besitz ethnografischer Gegenstände gelangt, davon zwei Kunstwerke aus dem Königreich Benin, die er dem Museum 1898 verkaufte.
Johann Martin Brettschneider (* 1843 Hamburg?, † 1908 Hamburg?)
war ein Hamburger Kaufmann und Schwager Gottlieb Leonard Gaisers (1817-1892), der Mitte der 1880er Jahre versuchte im Süden des heutigen Nigeria eine deutsche Kolonie zu errichten. Brettschneider übernahm nach dem Tod Gaisers die Geschäfte des Bruders seiner Ehefrau, darunter eine Ölmühle zur Produktion von Palmöl in Harburg und die Niederlassungen in Westafrika.
M. Dreyer (* unbekannt, † unbekannt)
dessen vollständiger Name nicht ermittelt werden konnte, verkaufte dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde (heute MARKK) im Jahr 1905 drei Objekte aus Nigeria, davon ein Armring aus Benin. Weitere Details zu diesem Sammler sind nicht bekannt.
Albert Engelhardt (* unbekannt, † unbekannt)
war vermutlich Kaufmann und bot dem Museum für Völkerkunde (heute MARKK) im Jahr 1904 genau ein Objekt aus dem Benin-Reich und sonst nichts zum Kauf an. Darüber hinaus taucht dieser Akteur in der Dokumentation nicht auf.
Friedrich Erdmann (* 23. Oktober 1866 Altona (heute Hamburg), † vermutlich 1907 in Südafrika)
war ein Hamburger Kaufmann und als Geschäftsführer für das Handelshaus Bey & Zimmer vor Ort in Lagos, Warri und Sapele im Süden Nigerias tätig. Erdmann besuchte erwiesenermaßen nach der Eroberung Benin Citys durch die britischen Truppen die Stadt, nahm die dort verbliebenen Kunstgegenstände mit, um sie mit Genehmigung der britischen Militärs zu verkaufen, und fotografierte den Schauplatz. Erdmann war eine der Schlüsselfiguren im Benin-Geschäft der Firma Bey und verkaufte dem Museum im Jahr 1898 insgesamt 13 Objekte aus dem Königreich Benin. Seine Witwe Alma korrespondierte u. a. mit Felix von Luschan (1854-1924) in Berlin und verkaufte später Gegenstände aus der Sammlung ihres Mannes. Sein Sohn Kurt (1901-1964) war Kunsthistoriker und veräußerte ebenfalls Stücke aus dem Nachlass seines Vaters.
John Paul Frisch (*23. Juli 1875 Hamburg, † 25. Juli 1934 Hamburg)
war ein Hamburger Kaufmann mit Wohnsitz im Stadtteil Sternschanze. Frisch war als Agent für die Firma Bey & Zimmer vor Ort in Westafrika tätig. Für ihn sind mehrere Schiffspassagen an Bord von Woermann-Schiffen u. a. ins südliche Nigeria belegt. 1903 verkaufte Frisch dem Museum vier Objekte aus dem Königreich Benin.
Gottlieb Leonard Gaiser (* 30. Juli 1817 Schlierbach, † 28. Dezember 1892 Hamburg)
war Kaufmann und Eigentümer des nach ihm benannten Handelshauses G. L. Gaiser mit eigener Ölmühle in Hamburg-Harburg und Niederlassungen im Süden Nigerias. Gaiser versuchte 1885 im sog. Mahinland (östlich von Lagos) eine deutsche Kolonie zu gründen. Der Plan schlug jedoch mangels Unterstützung durch Reichskanzler Otto v. Bismarck (1815-1898) fehl. Nach Gaisers Tod führte dessen Schwager Johann Martin Brettschneider (1843-1918) die Geschäfte weiter.
Franz Gassmann (* unbekannt, † unbekannt)
war vermutlich wie viele andere Einlieferer von Kunstwerken aus dem Königreich Benin am Ende des 19. Jahrhunderts als Kaufmann in Westafrika tätig. Er verkaufte dem Museum im Jahr 1911 lediglich ein Objekt. Weitere Details zu diesem Akteur konnten nicht ermittelt werden.
Carl Goltermann (* unbekannt, † unbekannt)
war mutmaßlich vor der Jahrhundertwende und noch bis in die 1920er Jahre hinein in Hamburg als Schiffsmakler tätig. 1906 verkaufte er dem Museum ein einziges Objekt aus dem Königreich Benin.
Adolf Heemke (*8. Oktober 1874 Geestemünde/Bremerhaven, † unbekannt)
war Überseekaufmann und als Agent für das Handelshaus Bey & Zimmer in Nigeria aktiv. Von ihm nach Europa gebrachte Kunstwerke aus Benin befinden sich heute auch in den Sammlungen in Stuttgart und Freiburg. 1904 verkaufte er dem MARKK zehn Benin-Objekte.
Frau Hiltawski (* unbekannt, † unbekannt)
verkaufte dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde (heute MARKK) im Jahr 1912 zwei Objekte aus dem Königreich Benin. Wie sie zuvor in den Besitz dieser Stücke gekommen war, konnte bisher nicht ermittelt werden.
W. Hinzpeter (* unbekannt, † unbekannt)
dessen Vorname nicht bekannt ist, war Kaufmann und u. a. als Agent für die Firma Bey & Zimmer in Westafrika tätig. Gemeinsam mit einem gewissen „Herr[n] Strumpf“ trug er vor Ort eine Sammlung von wohl etwa fünfzig „Benin-Altertümern“ zusammen, wovon er dem Museum im Jahr 1904 drei Objekte schenkte.
Carl Hoppe (* unbekannt, † unbekannt)
stammte aus Altona und war in Hamburg als Ethnografica- und Antiquitätenhändler tätig. Ab 1901 verkaufte er dem Museum für Völkerkunde (heute MARKK) mehrere hundert ethnografische Gegenstände aus aller Welt, davon allerdings nur ein Objekt aus dem Königreich Benin im Jahr 1902. Die Akquise der Objekte erfolgte mutmaßlich primär über Mittelsleute im Hamburger Hafen.
Oskar Kaiser (*1878 Hamburg?, † unbekannt)
war Kaufmann und vor Ort in Nigeria als Handelsagent im Export-/ Importgeschäft vermutlich mit Kolonialwaren und Rohstoffen tätig. Kaiser firmiert 1915 in Lagos unter „Oscar Kaiser & Co.“ und „pendelte“ vermutlich regelmäßig zwischen Hamburg und Westafrika. In der vorliegenden Korrespondenz bezieht er sich auf den in Hamburg ansässigen (Geschäftspartner?) Paul Luck und schreibt, Gegenstände aus Benin City selbst mitgebracht zu haben. 1904 verkaufte er dem MARKK sechs Objekte aus dem Königreich Benin.
[Herr] Karl, Altona (* unbekannt, † unbekannt)
verkaufte dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde (heute MARKK) im Jahr 1907 eine beschnitzte Holzschachtel aus dem Königreich Benin. Um wen es sich bei diesem Akteur handelte und wie er zuvor in den Besitz dieses Objekts gekommen war, konnte bisher nicht ermittelt werden.
Theodor Knywel (* unbekannt, † unbekannt)
unterhielt eine Tierhandlung in der Gärtnerstraße im Hamburger Stadtteil Hoheluft-West. Ähnlich wie die bekannten Ethnografica-Händler dürfte Knywel die drei im Jahr 1911 von ihm ans Museum für Völkerkunde (heute MARKK) veräußerten Stücke aus dem Königreich Benin über Mittelsleute im Hamburger Hafen akquiriert haben.
Julius August Konietzko (* 6. August 1886 Insterburg, † 27. April 1952 ebd.)
war ein Ethnograficahändler, der neben der Akquise über den Hamburger Hafen auch selbst Sammelreisen unternahm. Er ist mit dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde (heute MARKK) als Einlieferer tausender völkerkundlicher Kunst- und Alltagsgegenstände aus verschiedenen Regionen der Welt verbunden. Nach Konietzkos Tod führten seine Ehefrau Lore Kegel (1901-1980) und der gemeinsame Sohn Boris Kegel-Konietzko (1925-2020) das Geschäft weiter. Julius Konietzko selbst verkaufte dem MARKK im Jahr 1911 ledigleich ein Objekt aus dem Königreich Benin.
Wilhelm Langheld (* 25. Mai 1867 Berlin, † 9. Juli 1917 Kutczany, Galizien)
war Offizier der sog. Kaiserlichen Schutztruppe und Vertreter der Kolonialverwaltung in Kamerun und Deutsch-Ostafrika. 1902 verkaufte er dem Museum die Altarfigur eines Hahnes aus dem Königreich Benin.
John Lembcke (* 19. März 1873, † unbekannt)
stammte ursprünglich aus dem Mecklenburgischen und war ein Hamburger Kaufmann. Im Süden Nigerias arbeitete er als Agent für das Handelshaus L. Pagenstecher & Co. Die Firma unterhielt mehrere Faktoreien in Kamerun und Nigeria und machte u. a. Geschäfte mit Rohkautschuk. Lembcke war wohl in einer Niederlassung der Firma in Warri tätig, von wo er sich ins nahegelegene Benin City begab. Dort fand er Objekte, die er schließlich nach Hamburg brachte. Zwischen 1899 und 1905 verkaufte er insgesamt 40 Kunstgegenstände aus dem Königreich Benin an das Museum.
Fritz Lüttge (* unbekannt, † unbekannt)
war als Agent des Hamburger Handelshauses H. Bey & Co. bzw. der in Westafrika niedergelassenen Tochterfirma Bey & Zimmer in Sapele tätig. Lüttge, dessen Witwe später ebenfalls Objekte aus der Sammlung ihres verstorbenen Ehemannes veräußerte, war durch Friedrich Erdmann auf das Geschäft mit Kunstwerken aus dem Königreich Benin aufmerksam geworden. 1901 verkaufte er dem Museum drei Benin-Objekte.
Hugo Malitzke (* 2. November 1879 Hamburg, † unbekannt)
war ein Hamburger Kaufmann und reiste Anfang des 20. Jahrhunderts mehrfach an Bord von Woermann-Schiffen nach West- und Ostafrika. Auf ihn geht ein Objekt in der Benin-Sammlung des MARKK zurück, das man im Jahr 1905 angekauft hatte.
Oskar Meyer (* 17. August 1873, † 1. Oktober 1914)
war ein Hamburger Kaufmann und vor Ort in Nigeria und Südkamerun tätig, wo er vermutlich in Ebolowa eine Plantage betrieb. Meyer trug, offenbar durch Kontakte zu einem Chief, eine Sammlung von Stücken aus dem Königreich Benin zusammen und veräußerte diese mutmaßlich an verschiedene Abnehmer und weitere Zwischenhändler. 1902 verkaufte er dem MARKK zwei Benin-Objekte.
Martha Raphael (* unbekannt, † unbekannt)
Von Martha Raphael sind nur eine Adresse, aber keine weitere Informationen vorhanden. Möglicherweise war sie Witwe eines Kaufmanns, sie hatte dem Museum im Jahr 1918 insgesamt 14 Gegenstände aus Westafrika verkauft, darunter 2 Objekte aus dem Königreich Benin.
F. W. Reichert (* unbekannt, † unbekannt)
verkaufte dem Museum im Jahr 1903 zwei Objekte aus dem Königreich Benin. Darüber hinaus konnten zu diesem Akteur bisher keine weiteren Informationen ermittelt werden.
Wilhelm Anton (von) Riedemann (* 8. Dezember 1832 Meppen; † 20. Januar 1920 Lugano)
war ein norddeutscher Kaufmann und Vorreiter auf dem Gebiet der Tankschifffahrt. Als Spediteur war Riedemann im Ölgeschäft tätig und betrieb darüber hinaus eine Reederei. Riedemann war Mitgründer der in Hamburg ansässigen und ab 1950 als „Esso“ bekannten Deutsch-Amerikanischen Petroleum Gesellschaft (DAPG). 1902 schenkte er dem MARKK die Altarfigur eines Hahnes aus dem Königreich Benin.
Dr. Max Schaumburg (* unbekannt, † unbekannt)
war ein in Hamburg ansässiger Sammler, der Anfang des 20. Jahrhunderts Benin-Werke aus seiner Privatsammlung Kustos Felix von Luschan (1854-1924) in Berlin anbot. Dieser lehnte ab. Schaumburg veräußerte 1904 einen Benin-Hüftanhänger an das Hamburgische Museum für Völkerkunde (heute MARKK).
Hugo Schilling (* unbekannt, † unbekannt)
war ein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Hamburg tätiger Antiquitätenhändler. Nach aktuellem Wissensstand war Schilling nicht selbst vor Ort in Westafrika tätig, sondern nutzte den Hamburger Hafen als wichtigen Warenumschlagplatz lediglich zur Akquise mitgebrachter Gegenstände, die von Dritten (vermutlich v. a. Kapitäne/ Seeleute) aus aller Welt nach Hamburg transloziert wurden. 1898 verkaufte Schilling dem MARKK ein Objekt aus dem Königreich Benin.
Christoph Schultz (* unbekannt, † unbekannt)
bot dem Berliner Kunstgewerbemuseum und später dem Königlichen Museum für Völkerkunde im Jahr 1902 eine Reliefplatte aus dem Königreich Benin zum Kauf an. Bei diesem in Harburg ansässigen und vermutlich als Kauf- oder Seemann tätigen Sammler handelt es sich wahrscheinlich um denselben Akteur, der dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde (heute MARKK) im gleichen Jahr zwei Stücke aus dem Benin-Königreich verkaufte.
Fritz Stahl (* 10. Dezember 1864 Rosenberg, † 9. August 1928 Berlin)
der eigentlich Siegfried Lilienthal hieß, war unter dem Pseudonym Fritz Stahl als Publizist, Kunstschriftsteller und Journalist tätig. Am 7. Juli 1899 veröffentlichte Stahl im Berliner Tageblatt einen Artikel zur Benin-Kunst. 1903 verkaufte er dem Hamburgischen Museum für Völkerkunde (heute MARKK) den Kopf einer Bronzeschlange aus dem Königreich Benin.
S. Strumpf (* unbekannt, † unbekannt)
war Kaufmann und als Agent für das Handelshaus H. Bey & Co. bzw. die Tochterfirma Bey & Zimmer in Westafrika, wohl zumeist im „Innern von Togo“, tätig. Aus sämtlichen zu diesem Sammler vorliegenden, historischen Unterlagen geht der Vorname Strumpfs nicht hervor. Er verkaufte dem Museum 1903 vier Objekte aus dem Königreich Benin.
Heinrich Süssenbach (* unbekannt, † unbekannt)
war lt. Hamburger Adressbuch von 1912 „Platzvertreter“ einer Zwirnerei und Nähfadenfabrik. Er schenkte dem Museum im Jahr 1904 ein Objekt aus dem Königreich Benin. Weitere Details zu diesem Objektgeber sind nicht bekannt.
J. F. G. Umlauff
war ein bekanntes, von Johann Gustav Friederich Umlauff (1833-1889) im Jahr 1869 gegründetes und von seinem Sohn Heinrich Umlauff (1868-1925) weitergeführtes Hamburger Familienunternehmen. Zunächst als Naturalienhandlung und Muschelwarenfabrik betrieben, kamen später Völkerschauen sowie der Handel mit Ethnografica als Geschäftszweige hinzu. Die Akquise von Objekten für den Weiterverkauf erfolgte (u. a. wohl auch durch Mittelsleute) über den Hamburger Hafen. Zwischen 1900 und 1937 erwarb das Museum zunächst durch Ankauf und später durch Tausch insgesamt sechs Objekte aus dem Königreich Benin bei der Firma Umlauff.
Hugo Warnholtz (* unbekannt, † unbekannt)
dessen Wohn- und/ oder Geschäftssitz sich im Herrengraben in der Hamburger Innenstadt befand, war als Kaufmann in Westafrika tätig und korrespondierte u. a. mit Kustos Felix von Luschan (1854-1924) in Berlin über die von ihm selbst in Afrika zusammengetragene Sammlung. Dem MARKK verkaufte er 1901 insgesamt sechs Objekte aus dem Königreich Benin, darunter ein Stück, das ursprünglich Teil der Privatsammlung Oskar Meyers gewesen war.
William Downing Webster (* 11. Mai 1868, † 14. Januar 1913)
war ein bekannter britischer Ethnograficahändler, bei dem nahezu alle großen völkerkundlichen Sammlungen in Großbritannien und Kontinentaleuropa Stücke aus dem Königreich Benin erwarben. Neben einer Schenkung, befinden sich heute zwölf Objekte in der Benin-Sammlung des MARKK, die in den Jahren 1900/ 1901 bei Webster angekauft wurden.
Eduard Wiggerts (* unbekannt, † unbekannt)
war ein Hamburger Händler, der gemeinsam mit seinem Geschäftspartner M. Salomon das Kunst- und Antiquitätengeschäft „E. Wiggerts & Co.“ mit Sitz in den Colonnaden unweit der Binnenalster betrieb. 1899 verkaufte er dem Museum den Gedenkkopf eines Königs aus dem Königreich Benin.
Einlieferungen nach dem 2. Weltkrieg
Nach 1945 gab es noch fünf Ankäufe von rezenteren Gegenständen von Personen, die aus Datenschutzgründen nicht genannt werden dürfen.
Das Museum Folkwang wurde 1902 von dem Sammler und Mäzen Karl Ernst Osthaus in Hagen eröffnet. Nach seinem Tod 1922 wurde die Sammlung vom Essener Folkwang-Museumsverein und der Stadt Essen erworben. Seitdem besteht das Museum Folkwang in Essen. Die heutigen Schwerpunkte der Sammlung bilden die moderne und zeitgenössische Kunst seit dem 19. Jahrhundert aus den Bereichen Malerei, Skulptur, Medienkunst, Grafik, Fotografie sowie Plakat.
Zu dem von Karl Ernst Osthaus in den Jahren zwischen 1898 und 1921 angelegten Grundstock der Sammlung gehören neben Kunstwerken der klassischen Antike und angewandter Kunst aus Europa auch Objekte aus West- und Ostafrika, Mittel- und Südamerika, Ozeanien und vor allem Ostasien. Der Gesamtumfang des Bestandes, der bis in die 1970er-Jahre erweitert wurde, beträgt heute 1704 Inventarnummern.
Das Museum Folkwang setzt sich mit den Diskursen um Rassismus, der kolonialen Vergangenheit Deutschlands und der Rolle auseinander, die es selbst als Kulturinstitution darin spielte. Es erkennt an, dass es mit den Erweiterungen seiner Sammlungsbestände und deren Präsentation Anteil an der Verbringung von Objekten verschiedener Kulturen nach Europa sowie der Verbreitung rassistischer und stereotyper Vorstellungen hatte, und bemüht sich um eine angemessene Aufarbeitung seiner Bestände und seiner Geschichte. Einem Austausch mit den Herkunftsgesellschaften der heute in Essen verwahrten Objekte steht es aufgeschlossen gegenüber.
Das Museum Folkwang besitzt ein Objekt aus dem ehemaligen Königreich Benin.
Das Landesmuseum Hannover beherbergt als größtes staatliches Museum in Niedersachsen neben ethnologischen Sammlungen ebenfalls Bestände der Kunst, Archäologie, Naturkunde und Numismatik. Vorgängerinstitutionen waren das durch bürgerliche Vereine 1856 ins Leben gerufene Museum für Kunst und Wissenschaft und das Provinzialmuseum Hannover.
Der ethnologische Fachbereich des Landesmuseums Hannover verwahrt eine der ältesten Sammlungen Deutschlands, die auf das Raritätenkabinett König Ernst Augusts (1771-1851), Dublettenüberweisungen des Akademischen Museums zu Göttingen und Ethnographica des Naturhistorischen Vereins für Niedersachsen zurückgeht. Diese Gründungsbestände der 1853 angelegten Sammlung umfassen vorwiegend Objekte, die als Geschenke an das Königshaus oder an die Vereine gegeben wurden, beziehungsweise auf frühe expansionistische Forschungs- und Sammlungsreisen von James Cook, Georg Forster oder Hermann und Robert von Schlagintweit zurückgehen.
Während der Zeit der deutschen kolonialen Expansion kontaktierte Jacobus Reimers, Direktor des Provinzialmuseums zwischen 1890 und 1910, diverse Kolonialbeamte, um aktiv den Sammlungsaufbau voranzubringen und den „colonialen Gedanken“ zu fördern. Als Folge dieser Initiative ist im Zeitraum von 1884 bis 1919 ein sprunghafter Anstieg von Zugängen zur ethnologischen Sammlung zu verzeichnen. Der Nachfolger von Reimers, Karl Hermann Jacob-Friesen, verfolgte in den 1930er Jahren eine kolonialrevisionistische Agenda und baute diesen Schwerpunkt weiter aus. Ab den 1960er Jahren wurde die ethnologische Sammlung auch durch Forschungs- und Sammlungsreisen der Kurator*innen erweitert; sie umfasst heute insgesamt ca. 24.000 Objekte.
Das Landesmuseum Hannover verwahrt in seiner Sammlung ein Objekt, das mutmaßlich auf das ehemalige Königreich Benin zurückgeht. Die „Glocke von Benin“ wurde am 1925 von G. Meyer angekauft, genaueres zur Erwerbshistorie ist derzeit nicht bekannt.
Provenienz
Am 7. Juli 1925 bot ein „G.Meyer, Lübeckerlandstraße 24, Eutin“ der Prähistorisch-ethnografischen Abteilung des Provinzialmuseums, adressiert als Museum für Völkerkunde, heute Niedersächsisches Landesmuseum Hannover (NLMH) eine „Glocke von Benin“ für 150 Mark an. Beigelegt zu diesem Schreiben wurde eine Karte, auf deren Vorderseite die Glocke abgebildet ist und deren Rückseite eine Adresse aufweist, auf die „G. Meyer“ im obigen Schreiben als „seine“ Adresse verweist; diese lautet „E. Jörk, Eutin, Peterstr. 12, neben dem Kino" und unterscheidet sich damit von der Adresse, die in der restlichen Korrespondenz genannt wird. Der damalige Direktor des Provinzialmuseums Karl Hermann Jacob-Friesen bat am 21. Juli 1925 darum, dass das Stück zur Ansicht übersandt werde. Am 25.7.1925 wurde der Empfang der Glocke aus Benin bestätigt sowie einem Ankauf zu 150 Mark zugestimmt und die Anweisung in den nächsten Tagen in Aussicht gestellt. Die Glocke wurde am selben Tag als Einzelobjekt inventarisiert. Über die frühere Provenienz der Glocke ist derzeit nichts bekannt.
Zur Person „G. Meyer“
Bei „G. Meyer“ handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Gustav Friedrich Meyer (geb. 28. Februar 1878 in Gleschendorf/Pönitz, gest. 29. Juli 1945 in Neustadt in Holstein), der Volkskundler und Heimatforscher in Schleswig-Holstein war, sich u.a. mit Märchen und Brauchtum Schleswig-Holsteins beschäftigte, als Lehrer arbeitete und mit dem Nationalsozialismus sympathisierte. Derzeit ist nicht bekannt, wie Gustav Meyer in den Besitz der Glocke gekommen sein könnte. Meyers Nachlass ist in Nachlässe und Handschriftensammlungen der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek verzeichnet.
Im Landesmuseum Hannover
Auf der Karteikarte zu ET 6626 wurde am 21.1.1991 von der damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiterin, Felicitas Bergner (gez. mit Initialen „FB“), eine Notiz zur Wissenschaftlichen Bearbeitung der Glocke vermerkt: „Funktion: steht vor oder auf einem, Schrein; wird vor Beginn einer Zeremonie (um die Geister zu rufen) und während des Betens angeschlagen; Anlaß z.B. negatives Ereignis, das eine Zeremonie erfordert. Glocken (in anderer Form) heute noch in Gebrauch.“ Rückseitig ergänzt durch die Anmerkung „Auskunft zur Funktion von Herrn Godfrey Izedonmwen, Benin (Nigeria), ältester Sohn des Oba von Benin“.
Die Glocke weist Patina und Rostspuren auf, sie wurde am 16.11.1956 mit Ballistol geölt. Bislang ist nicht bekannt, dass die Glocke ausgestellt oder publiziert worden ist.
Das Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) wurde 1906 am Ubierring in Köln eröffnet und seit Januar 2019 von der Niederländerin Nanette Snoep geleitet. Der Sammlungsbestand umfasst etwa 70.000 Objekte aus Ozeanien, Asien, Afrika und den Amerikas und 100.000 historische Fotografien. Köln war eine der Hochburgen der deutschen Kolonialbewegung. Die Gründungsgeschichte des RJM fällt auch in diese Epoche und ein wichtiger Teil der Sammlung stammt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Das Museum befindet sich seit 2010 in einem Neubau am Neumarkt, in dem es neben Sonderausstellungen eine große kulturvergleichende Dauerausstellung präsentiert, die in den kommenden Jahren in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus dem Globalen Süden und aus der Diaspora überarbeitet und weiterentwickelt werden wird. Dabei werden Fragestellungen zum kolonialen Erbe, die Institutionsgeschichte und die Geschichte des Erwerbskontextes von Sammlungsobjekten in den Fokus gerückt und nach neuen, interdisziplinären Herangehensweise für Vermittlung von komplexen Fragestellungen und Einbindung von Besucher*innen mit oder ohne Vorwissen gesucht.
Das Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) besitzt mit 94 höfischen Kunstwerken aus dem Königreich Benin die viertgrößte Sammlung in Deutschland. Die Kunstwerke gelangten zwischen 1899 und 1967 als Schenkungen und Ankäufe ins Museum. Es gilt als gesichert, dass sie alle zu den im Februar 1897 von der britischen Armee aus dem Königspalast von Benin geraubten Werken gehören. Die ältesten und hochwertigsten Kunstwerke datieren aus der Zeit zwischen dem 16. und 17. Jh. und der größte Teil von Mitte des 18. Jh. bis Ende des 19. Jh. 65 der 94 Benin-Bronzen des RJM wurden bereits vor 1902 von der Familie Rautenstrauch – Namensgeberin und wichtige Mäzenatin des Museums – in Auktionshäusern in London erworben und der Stadt Köln geschenkt.
Eine historische und ikonografische Einordnung dieser 94 Hofkunstwerke stand trotz ihrer internationalen Bedeutung noch aus, weshalb das RJM, unterstützt von der Museumsgesellschaft RJM e.V. mit Mitteln aus dem Vermächtnis von Ludwig Theodor, 2020 einen ersten Überblick über die Herkunft der höfischen Kunstwerke sowie seit 2021 eine Grundlagenstudie zur Analyse der Techniken und Materialien der Sammlung veranlasste. Ein erster sammlungshistorischer Bericht sowie das komplette Inventar der Sammlung sind seit Januar 2020 auf der Webseite des RJM zugänglich. Zudem sind alle 94 Hofkunstwerke des RJM seit November 2020 erstmals anlässlich der Sonderausstellung "RESIST! Die Kunst des Widerstands." vollständig präsentiert sowie ihre Provenienz den Besucher*innen vermittelt.
Sammlung von höfischen Kunstwerken aus dem Königreich Benin (Edo State, Nigeria) des RJM
Das 1844 gegründete Roemer-Museum in Hildesheim (bis 1894: Städtisches Museum) ist ein Mehrspartenmuseum mit Beständen aus den Bereichen Naturkunde, Kunstgeschichte, Stadt- und Regionalgeschichte sowie Ethnologie. Das Pelizaeus-Museum mit seinen Beständen aus dem Alten Ägypten, aber auch der mediterranen Antike, eröffnete 1911. 1958 wurden beide Museen in einem Neubau unter dem Namen „Roemer- und Pelizaeus-Museum“ (RPM) vereint.
Die ethnologische Sammlung umfasst heute ca. 14.000 Objekte aus sämtlichen Erdteilen. Bei Gründung des Museums belief sich diese Sammlung auf 28 Objekte, anschließend wurde sie nicht zuletzt auf Betreiben des Museums-Mitbegründers und späteren Direktors (1873–1894) Hermann Roemer, der Wert auf eine Vermehrung der Bestände sämtlicher Sammlungsbereiche legte, kontinuierlich ausgebaut. Insbesondere auch Hildesheimer in Übersee wurden aufgerufen, die ethnologischen Sammlungen zu mehren, und kamen diesem Wunsch nach. Auch Roemers Nachfolger Achilles Andreae (Direktor 1894–1905) und Rudolf Hauthal (Direktor 1905–1925) vergrößerten die Bestände der Ethnologie. Von 1905 bis 1914 wurde die ethnologische Sammlung von dem Berliner Ethnologen und Interimsdirektor (1905/06) Edgar Walden (1876–1914) betreut und erweitert, vor allem aus den Dubletten des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin, an dem er tätig war.
Die kolonialen Erwerbungskontexte ethnologischer Bestände waren und sind am RPM Gegenstand von Projekten zur Provenienzforschung. Ein erstes Projekt befasste sich 2017/18 mit den Erwerbungsumständen von Ethnographica, die Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem damaligen Königlichen Museum für Völkerkunde an das Roemer-Museum kamen. 2018–2021 widmete sich dann im Rahmen des von der VW-Stiftung geförderten Verbundprojektes „Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen“ (PAESE) ein Teilprojekt am RPM der Provenienz von Beständen aus unterschiedlichen kolonialen Kontexten, mit regionalen Schwerpunkten auf Sammlungen aus Ozeanien, Afrika (u. a. „Deutsch-Südwestafrika“ unter Einbeziehung von Expert/innen aus Namibia) und Indonesien/Niederländisch Indien.
Das RPM verwahrt 4 Bronzeobjekte aus Benin. Es handelt sich zum einen um einen Gedenkkopf eines Königs, den das Museum 1913 vom Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin erwarb. Drei weitere Bronzen wurden 1912 im Kunsthandel bei Konietzko erworben. Über die Erwerbungsumstände vor Ort liegen am RPM keine Informationen vor. Im Hinblick auf die Umstände, unter denen das Königliche Museum den Gedenkkopf erwarb, könnten Dokumente im Archiv des heutigen Ethnologischen Museums Berlin Auskunft geben.
Die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen (SES) bestehen aus den drei ethnologischen Museen in Leipzig, Dresden und Herrnhut. Der Verbund gehört zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und beherbergt an den drei Standorten rund 350.000 Objekte, 200.000 Bilddokumente und 350.000 bibliothekarische Einheiten. Damit bilden die SES die zweitgrößte ethnologische Sammlung in Deutschland. Aufgrund dieser Größe ist für die SES die Erforschung der Bestände insbesondere hinsichtlich der Erwerbungs- und Sammlungsumstände und damit der Schaffung von Transparenz eine der wichtigsten Aufgaben. Daneben positionieren sich die drei Museen mit ihren jeweiligen Profilen im internationalen Kontext zwischen (post-)kolonialer Aufarbeitung, Restitution und Repatriierung sowie neuen gegenwarts- und zukunftsbezogenen Schwerpunktsetzungen in der thematischen Ausrichtung. Beispielhaft steht hier das von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen der Initiative für ethnologische Sammlungen geförderte Zukunftsprogramm (Re)inventing Grassi 2023 in Leipzig. In mehreren Teilprojekten wandelt sich bis 2023 die bisherige Dauerausstellung hin zu einem Netzwerkmuseum, welches sich reflexiv mit der eigenen Geschichte beschäftigt, Position in derzeitigen Debatten bezieht und in thematisch orientierten Ausstellungsbereichen Impulse zu aktuellen und zukunftsrelevanten Fragestellungen gibt.
In den SES befinden sich gegenwärtig 263 historische Werke aus dem Königreich Benin, wobei die Sammlung des GRASSI Museums für Völkerkunde zu Leipzig 88 Nummern zählt und die des Museums für Völkerkunde Dresden 185. Die Werke gelangten zwischen 1898 und 2001 durch Schenkungen, Tausch und Ankauf in die Sammlungen der SES. Vor allem Mäzenen wie Arthur Baessler mit 148 und Hans Meyer mit 61 Werken waren daran beträchtlich beteiligt.
Provenienz
Die ersten der insgesamt 262 in Sachsen befindlichen Objekte aus dem Königreich Benin kamen 1898 an die beiden Museen: fünf kaufte das Dresdner Museum dem British Museum in diesem Jahr ab; Walter Luboldt, Leiter der Firma Gehe u. Co, schenkte dem Dresdner Museum drei; und der Generalkonsul Gustav Spiess und der Leipziger Verlagserbe Herrmann Meyer schenkten dem Leipziger Museum jeweils eins. Größtenteils gehen die Benin-Sammlungen am Museum für Völkerkunde Dresden und am GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig auf Schenkungen von und Vermittlungen durch Mäzene zurück. So schenkte Arthur Baessler (1857-1907), Erbe eines Textilfabrikanten aus Glauchau, dem Dresdner Völkerkundemuseum zwischen 1898 und 1904 sechs große Konvolute von insgesamt 148 Objekten. Arthur Baessler erwarb diese von dem britischen Händler William Downing Webster (1868-1913) sowie von der Hamburger Firma Umlauff, die sich auf den Handel mit Naturalien und Ethnographica spezialisierte. Sein Bruder, Hermann Baessler, schenkte dem Museum in Dresden 1901 ein auch von W.D. Webster erworbenes Objekt. Während Arthur Baessler dem Dresdner Museum die Mehrzahl vermittelte, brachte der Leipziger Verlagserbe Hans Meyer (1858-1929) die größte Anzahl von Benin-Objekten ans Leipziger Museum. Meyer war durch seine Tätigkeiten als Kolonialgeograph und Geologe, Glaziologe und Vulkanologe bekannt. Er sammelte über mehrere Jahre Artefakte des Königreich Benins, von denen er viele W. D. Webster abkaufte. Diese gelangten als Tausch (1901, 1924, 1936), Schenkung (1899, 1900) und als Leihgabe (1900-1919) an das Leipziger Völkerkundemuseum. Meyers Leihgaben wurden von seiner Witwe, Elisabeth Meyer, nach seinem Tod 1929 in eine Dauerleihgabe verwandelt. Durch einen Tausch mit dem Überseemuseum Bremen erwarb 1936 das Leipziger Museum ein Objekt von Else Meyer, Witwe von Hans Meyers Bruder, Hermann Meyer. Von dem Londoner Händler W.D. Webster, über den die beiden Mäzene die Sammlungen größtenteils ankauften, erwarb das Dresdner Museum 1904 und 1908 direkt einige Objekte durch Kauf und Tausch. Weitere erwarben die beiden Museen von Händlern und Handelsfirmen wie von der Firma Umlauff (Ankauf 1902), dem Londoner Händler James Tregaskis (1850-1926) (Ankauf 1902) sowie Arthur Speyer II (1895-1958) (Tausch 1932), der das Ethnographica-Geschäft seines Vaters Arthur Speyer I übernahm und in den 1920er- und 1930er-Jahren als einer der wichtigsten Ethnographica-Händler im deutschsprachigen Raum galt. Weitere individuelle Akteure, auf die Ankäufe in Dresden zurückgehen, sind V. Ribbert (1901) und M. Schaumburg (1906). Im Fall von Leipzig sind dies Curt Schembera (1900), der familiäre Verbindungen zu einer im Niger-Protektorat tätigen Hamburger Firma hatte, G. Willhöft (1905) sowie der Generalbevollmächtige der Nordwest-Kamerun-Gesellschaft Adolf Diehl (1906).
Das Städtische Museum wurde 1861 im Zuge einer Bürgerinitiative anlässlich der Jahrtausendfeier der Stadt von Braunschweiger gegründet. Deren Ziel es war, „erhaltenswerte Gegenstände“ des Herzogtums Braunschweig zusammenzutragen. Der Eingang von Artefakten aus der nicht-europäischen Welt ist dabei erstmals 1865 belegt.
Zunächst noch als „Merkwürdigkeiten“ bzw. „Varia“ betrachtet, kristallisierten sich am Städtischen Museum ab den 1870er-Jahren ein eigenständiger ethnografischer Sammlungsschwerpunkt heraus, der insbesondere zwischen 1893 und 1917 gezielt ausgebaut wurde. Seither prägt dieser - neben den Bereichen Kunst, Kunstgewerbe, Designgeschichte, historische Musikinstrumente und Numismatik - das Profil dieser bedeutenden Kultureinrichtung Niedersachsens.
Heute umfasst die ethnografische Sammlung des Städtischen Museum knapp 9.000 Objektnummern. Regionale Schwerpunkte der weltweiten Sammlung bilden Afrika, Indonesien und Ozeanien. Die Sammlung enthält aber auch andere Höhepunkte, unter denen insbesondere Raritäten aus Nordamerika hervorzuheben sind.
Das Städtische Museum fühlt sich dezidiert der kritischen Aufarbeitung der kolonialen Bezüge ihrer ethnografischen Bestände verpflichtet. Dieser Haltung wurde nicht nur durch eine personelle Aufstockung im Bereich der Provenienzforschung Ausdruck verliehen. Sie findet ihren Niederschlag auch in der Neukonzeption der ethnologischen Dauerausstellung, die 2022 eröffnet werden soll. Das Augenmerk wird hier auf dem Aspekt der Erwerbskontexte und der Identifizierung von Beständen aus kolonialen, insbesondere auch deutsch-kolonialen Unrechtskontexten liegen. Eine herausragende Bedeutung wird dabei auch derzeit laufenden kollaborativ umgesetzten Provenienz- und Restitutionsinitiativen mit Partnern in Kamerun und Namibia zukommen.
Provenienz
Die Informationen zur Provenienz der 18 Benin-Bronzen im Übersee-Museums finden Sie hier: https://www.cp3c.de/dokumente/Uebersee-Museum_Benin-Zusammenfassung.pdf
Die Lübecker Völkerkundesammlung mit ihren heute mehr als 30.000 Objekten aus allen Kontinenten ist in einem Zeitraum von dreihundert Jahren entstanden und überaus eng mit den Handelsbeziehungen der Stadt verflochten. Sie gehört als Zeugnis weltoffenen Bürgersinns zur Identität der Hansestadt Lübeck. In ihren frühen Anfängen war sie Teil einer privaten, ab 1831 einer gemeinnützigen und ab 1934 einer städtischen Einrichtung. Die Zerstörung des Museumsgebäudes am Dom 1942 setzte der erfolgreichen Arbeit ein Ende.
Erst 1985, nach dem Einzug in das ehemalige Zeughaus der Stadt, konnte die Völkerkundesammlung – Nachfolgeinstitution des alten Museums – wieder Ausstellungen und Veranstaltungen in eigenen Räumen anbieten.
Durch einen Beschluss der Lübecker Bürgerschaft 2002 wurde der Ausstellungsbetrieb der Völkerkundesammlung im Zeughaus eingestellt, es fanden aber weiterhin Ausstellungen in der Kunsthalle St. Annen und im St. Annen-Museum statt. Am 29. November 2018 wurde dieser Beschluss wieder aufgehoben. Für einen möglichen neuen Standort werden neue Präsentationskonzepte erarbeitet.
Weiterhin werden aber, in Kooperation mit den anderen Häusern des Lübecker Museen-Verbundes, Ausstellungen in verschiedenen Museen Lübecks präsentiert.
Das Weltkulturen Museum ist ein ethnologisches Museum, das sich der interdisziplinären Zusammenarbeit verpflichtet hat. Es arbeitet an der Schnittstelle von Ethnologie und Kunst. Als Museum der Stadt Frankfurt steht es im aktiven internationalen Austausch mit Partner*innen aus indigenen Kulturen und nicht-europäischen Gesellschaften. Das Weltkulturen Museum verpflichtet sich zum Erhalt, Pflege und Erforschung der Sammlungen im Dialog mit ihren Urhebergemeinschaften, mit Künstler*innen und Wissenschaftler*innen. Ein wichtiges Ziel ist die Provenienzforschung und kritische Aufarbeitung kolonialer Kontexte.
Das Weltkulturen Museum verfügt über eine Sammlung von 65.000 ethnografischen Objekten aus Ozeanien, Afrika, Südostasien sowie Nord-, Mittel- und Südamerika. Die Sammlung Visuelle Anthropologie umfasst etwa 120.000 historische und zeitgenössische ethnografische Fotografien und Filme und ergänzt den Bestand des Museums.
53 Objekte dieser Sammlung werden dem Königreich Benin zugeschrieben. Alle Objekte kamen, bis auf zwei Ausnahmen (eine Glocke gelangte 1926, eine figurative Plastik 1974), spätestens 1910 in die Sammlung des Museums in die Sammlung. In unserer Datenbank werden im Zusammenhang mit den Objekten aus dem Königreich Benin insgesamt acht Sammler bzw. Vorbesitzer aufgeführt. Der Großteil der Objekte wurde von Händlern erworben, darunter auch William Downing Webster, der bekanntermaßen mit Objekten aus der Strafexpedition von 1897 handelte.
Die Aufarbeitung dieser Sammlung wird in fortlaufenden Projekten und Forschungen fokussiert und vorangetrieben.